· 

FREISTELLUNG UNTER ANRECHNUNG AUF URLAUB - WAS GILT ES ZU BEACHTEN ?

 

 

 

Nach oder bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung stellt sich für den Arbeitgeber oft die Frage, ob der Arbeitnehmer unter Anrechnung auf offenen Urlaub oder Freizeitguthaben wegen Überstunden freigestellt werden soll. Dabei sind einige Fallstricke zu überwinden.

 

1. Freistellungsmöglichkeit im Arbeitsvertrag nicht vorgesehen - was nun ?

Sollte eine Freistellungsmöglichkeit unter Anrechnung auf offenen Urlaub im Arbeitsvertrag nicht vorgesehen sein, so erwartet das Bundesarbeitsgericht bei einer Freistellung unter Anrechnung auf offenen Urlaub eine umfassende Interessenabwägung. In dieser Interessensabwägung ist zu prüfen, ob ausnahmsweise besondere schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers vorliegen, die gegenüber dem grds. bestehenden Beschäftigunganspruch des Arbeitnehmers deutlich überwiegen, BAG 17.12.2015 -6 AZR 186/14. 

Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet hier je nach der Art der vorliegenden ordentlichen Kündigung. So kann bei einer ordentlichen Kündigung aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers, das zur Kündigung geführt hat, das Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellung dann überwiegen, wenn eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens zu besorgen ist. Bei betriebsbedingten Kündigungen bilden Freistellungen die Ausnahme, ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers kommt nur bei definitivem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist in Betracht. Bei einer ordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers soll eine Freistellung regelmäßig in Betracht kommen. Oftmals enthalten auch Sozialpläne Regelungen zu Freistellungsmöglichkeiten in der Kündigungsfrist. Das Bundesarbeitsgericht erwartet immer eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles. 

 

2. Was ist bei der Formulierung der Freistellungserklärung zu beachten ?

Wenn eine Freistellungsmöglichkeit unter Anrechnung auf offenen Urlaub im Arbeitsvertrag enthalten ist, dann ist besonderes Augenmerk auf die korrekte Formulierung der Freistellungserklärung zu richten. Hier hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.7.2013 - 9 AZR 50/12 zu fehlerhaften Interpretationen in der Praxis geführt. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Urteil ausgeführt, dass der Urlaubszeitraum bzw. der Zeitraum in dem Freizeitguthaben gewährt wird in der Freistellungserklärung nicht taggenau bezeichnet werden muss. Es müsse also beispielsweise nicht formuliert werden: "Sie werden unwiderruflich freigestellt bis zum Ende der Kündigungsfrist. Vom 1.9.2020 bis 15.9.2020 wird Ihnen Ihr noch offener Resturlaub gewährt. Danach bleiben sie unwiderruflich freigestellt". Es solle genügen, dass der Urlaubszeitraum, der zur Anrechnung gelangt, nicht genau bezeichnet wird.

Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich in der Freistellungserklärung auch die Formulierung findet, dass anderweitige Verdienst im Freistellungszeitraum auf den laufenden Lohn angerechnet wird. Hier hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 14.5.2013 Az. 9 AZR 760 / 11 klar gestellt, dass es in diesem Falle einer klaren datumsmäßigen Bezeichnung des Urlaubszeitraumes bedürfe. Für den Arbeitnehmer müsse für jeden Tag des Freistellungszeitraums klar sein, ob der Tag für Urlaubserteilung anrechnend verwendet wird oder ob es sich um einen Tag sonstiger Freistellung handelt. Denn nur ein Tag, der zu sonstiger Freistellung verwendet wird kann mit der Sanktion versehen werden, dass anderweitiger Verdienst (§  615 S. 2 BGB) dem Arbeitnehmer schadet (weil er ihn sich auf den laufenden Arbeitslohn anrechnen lassen muss).

Es ist also weiterhin für Arbeitgeber möglich, Freistellungserklärungen zu verwenden, bei denen anderweitiger Verdienst nicht angerechnet werden soll. In diesem Fall muss der genaue Zeitraum des Urlaubs, der einer Anrechnung zugeführt wird, - nicht - genannt werden.  Freistellungserklärungen, bei denen anderweitiger Verdienst angerechnet werden soll (§ 615 S. 2 BGB), müssen jedoch zwingend den genauen Urlaubszeitraum nennen.

 

3. Was passiert, wenn die Freistellungserklärung den Urlaubszeitraum nicht konkret nennt und sich jedoch gleichzeitig eine Anrechnungspflicht anderweitigen Verdienstes in der Freistellungserklärung findet ?

In diesem Falle ist der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers durch die Freistellungserklärung nicht erfüllt (§ 362 I BGB). Der Urlaubsanspruch besteht also in voller Höhe fort. Der Urlaubsanspruch wandelt sich am Ende der Kündigungsfrist in einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers in Geld um. Dies kann für den Arbeitgeber von fataler Wirkung sein. Der Urlaubsanspruch ist nochmals zu bedienen, diesmal nicht in Natur, sondern in Geld. Rechtsanwälte die auf die korrekte Formulierung einer Freistellungserklärung, die auch eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes beinhaltet, nicht hinweisen, verwirken einen Haftungsfall.